Seit anderthalb Wochen wird es hier an der Uni gestreikt. Oder besser gesagt: demonstriert. Zu meiner großen Erleichterung ging man bisher unbehelligt weiter in den Vorlesungen, auch im Verfügungsgebäude, dessen Erdgeschoß von den Protestierenden besetzt wurde.
Ein komisches Gefühl, zwischen den Protestschilder in das Gebäude zu gehen...Obwohl ich mehr und mehr Verständnis für die Studenten und ihren Unzufriedenheit mit dem Ablauf des Bologna-Reforms habe, bin ich immerhin etwas gespalten. Es ist mir nicht unwichtig, aber ich bin nicht hier gekommen, um mich in deutschen hochschulpolitischen Problemen zu verwickeln. Ich bin hier gekommen, um zu studieren. Und dann trotzdem gezwungen zu fühlen, Partei zu nehmen, wenn es mir letztendlich nicht angeht: Es ist alles etwas unbehaglich.
Heute ging es aber richtig zu: man blockierte das Zentrale Hörsaalgebäude. Ich merke, wie das alles genau erwägt wird. Weil viele großen Vorlesungen dort stattfinden, ist das schon von symbolischer Bedeutung. Und tatsächlich kam es (wenn ich richtig verstanden habe) sogar zu Gespräche mit der Universitätsleitung. Aber gleichzeitig war der Unialltag wenig davon betroffen und die meisten Veranstaltungen fielen nicht aus.
Wenn ich sehe, wie kompliziert und unübersichtlich das neue System ist, und unter wie viel Druck die Studenten leiden, weil die neue Regeln schlecht oder inkonsequent durchgesetzt werden, wundert es mich nicht, dass sie die Situation etwas unbefriedigend finden, oder dass sie ihrem Ärger Luft machen wollen. Man fühlt sich mißhandelt, machtlos. Und irgendwie muss man versuchen, sich damit abzufinden.
Aber ich würde sagen, es ist auch eine Chance. Weil alles schon im Umbruch ist, hat man auch die Möglichkeit, etwas wirklich zu verbessern. Mitzubestimmen. Und die Proteste haben schon für Aufsehen gesorgt. Wenn ich es dann mit dem Zustand in den USA vergleiche, das ist schon etwas, finde ich. Bei uns gibt es einfach keinen Anlass für solche bundesweiten Proteste, obwohl das System unzweifelhaft auch seine Probleme hat. Es ist ironisch vielleicht, dass man ein schlecht durchführtes Reform braucht, um utopistische Visionen wieder zu erwecken.
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