Seit anderthalb Wochen wird es hier an der Uni gestreikt. Oder besser gesagt: demonstriert. Zu meiner großen Erleichterung ging man bisher unbehelligt weiter in den Vorlesungen, auch im Verfügungsgebäude, dessen Erdgeschoß von den Protestierenden besetzt wurde.
Ein komisches Gefühl, zwischen den Protestschilder in das Gebäude zu gehen...Obwohl ich mehr und mehr Verständnis für die Studenten und ihren Unzufriedenheit mit dem Ablauf des Bologna-Reforms habe, bin ich immerhin etwas gespalten. Es ist mir nicht unwichtig, aber ich bin nicht hier gekommen, um mich in deutschen hochschulpolitischen Problemen zu verwickeln. Ich bin hier gekommen, um zu studieren. Und dann trotzdem gezwungen zu fühlen, Partei zu nehmen, wenn es mir letztendlich nicht angeht: Es ist alles etwas unbehaglich.
Heute ging es aber richtig zu: man blockierte das Zentrale Hörsaalgebäude. Ich merke, wie das alles genau erwägt wird. Weil viele großen Vorlesungen dort stattfinden, ist das schon von symbolischer Bedeutung. Und tatsächlich kam es (wenn ich richtig verstanden habe) sogar zu Gespräche mit der Universitätsleitung. Aber gleichzeitig war der Unialltag wenig davon betroffen und die meisten Veranstaltungen fielen nicht aus.
Wenn ich sehe, wie kompliziert und unübersichtlich das neue System ist, und unter wie viel Druck die Studenten leiden, weil die neue Regeln schlecht oder inkonsequent durchgesetzt werden, wundert es mich nicht, dass sie die Situation etwas unbefriedigend finden, oder dass sie ihrem Ärger Luft machen wollen. Man fühlt sich mißhandelt, machtlos. Und irgendwie muss man versuchen, sich damit abzufinden.
Aber ich würde sagen, es ist auch eine Chance. Weil alles schon im Umbruch ist, hat man auch die Möglichkeit, etwas wirklich zu verbessern. Mitzubestimmen. Und die Proteste haben schon für Aufsehen gesorgt. Wenn ich es dann mit dem Zustand in den USA vergleiche, das ist schon etwas, finde ich. Bei uns gibt es einfach keinen Anlass für solche bundesweiten Proteste, obwohl das System unzweifelhaft auch seine Probleme hat. Es ist ironisch vielleicht, dass man ein schlecht durchführtes Reform braucht, um utopistische Visionen wieder zu erwecken.
Mittwoch, 25. November 2009
Sonntag, 15. November 2009
interesting times
On Saturday a friend and I used our semester train ticket to do some sightseeing in Hannover (about an hour north of Göttingen). When we came back in the early afternoon, we left the train station only to find dozens of police officers lined up in rows on either side of the entrance. It was a surreal moment. (If you remember the scene in "Lola Rennt" with the swat team pointing their guns at Lola as she comes out of the bank -- it felt a little bit like that, I wasn't scared, just puzzled, like I had walked onto a stage in the middle of a performance. Except that it was broad daylight and -- unlike Lola -- I hadn't just robbed a bank.)
My first thought, rather irrelevantly, was that I didn't know there were so many police officers in the entire city. And then the more normal question: Was ist denn hier los?
As we walked towards the city center: more police cars, blockaded streets, and the sound of a loudspeaker. Ah, okay. Must be something political then.
Was I supposed to know what this was all about? I thought maybe I had missed something as a result of my usual wandering around obliviously....
It turns out the occasion was the anniversary of the the death of a Göttingen student who was killed at an antifascist protest in 1989. The organizers, fearing, I presume, that their demonstration would be prevented if they announced it officially, did not advertise it beforehand. So in this case my ignorance makes a little bit more sense.
However, I think people active in leftist circles would have been aware of it well in advance. It seems this particular event has become something of a rallying point for groups all over the country: One of my Berlin friends said he had seen leaflets about the demonstration in the Berlin subway that morning!
There is an ironic aspect to this. Some of the posters for the demonstration proclaimed "Kein Frieden mit dem Polizei- und Überwachungsstaat." Rather than opening up space for change, however, the protest only seems to have turned onto a reenactment of the original occasion, turning the city for some hours into precisely that police state it was directed against.
Last week of course was the twentieth anniversary of the fall of the Berlin Wall and the (unofficial) birth of a reunified Germany. Feeling a bit left out and isolated, I had been wishing I were in Berlin, in the middle of things. To be part of all of this, here, no longer looking on from afar, from outside, as I have done for so long, but actually seeing and experiencing some small piece of the history of this country.
It turns out I may be more in the middle of things than I had thought...
My first thought, rather irrelevantly, was that I didn't know there were so many police officers in the entire city. And then the more normal question: Was ist denn hier los?
As we walked towards the city center: more police cars, blockaded streets, and the sound of a loudspeaker. Ah, okay. Must be something political then.
Was I supposed to know what this was all about? I thought maybe I had missed something as a result of my usual wandering around obliviously....
It turns out the occasion was the anniversary of the the death of a Göttingen student who was killed at an antifascist protest in 1989. The organizers, fearing, I presume, that their demonstration would be prevented if they announced it officially, did not advertise it beforehand. So in this case my ignorance makes a little bit more sense.
However, I think people active in leftist circles would have been aware of it well in advance. It seems this particular event has become something of a rallying point for groups all over the country: One of my Berlin friends said he had seen leaflets about the demonstration in the Berlin subway that morning!
There is an ironic aspect to this. Some of the posters for the demonstration proclaimed "Kein Frieden mit dem Polizei- und Überwachungsstaat." Rather than opening up space for change, however, the protest only seems to have turned onto a reenactment of the original occasion, turning the city for some hours into precisely that police state it was directed against.
Last week of course was the twentieth anniversary of the fall of the Berlin Wall and the (unofficial) birth of a reunified Germany. Feeling a bit left out and isolated, I had been wishing I were in Berlin, in the middle of things. To be part of all of this, here, no longer looking on from afar, from outside, as I have done for so long, but actually seeing and experiencing some small piece of the history of this country.
It turns out I may be more in the middle of things than I had thought...
Samstag, 14. November 2009
More Contrastive Focus Reduplication
Als ich gestern frühstücken wollte, waren zwei Mitbewohner bereits in der Küche und diskutierten gerade die Bedeutung des Wort 'satt'. Vorigen Tag nämlich hatte jemand die etwas merkwürdig klingende These geaüßert, daß Kaffee satt macht, und jetzt fragten sie sich, ob man das eigentlich sagen könnte. Gemeint in diesen Fall war nicht, daß man keinen Hunger mehr hatte, sondern keine Durst.
Es scheint wirklich hier ein semantisches Loch zu geben. Für das Gegensatzpaar
'hungrig -- satt'
'durstig -- ???'
gibt es kein entsprechendes Wort für 'nicht mehr durstig'.
Dann kam natürlich die obligatorische Frage, ob es ein englisches Äquivalent für das deutsche Wort 'satt' gibt. Nein, eigentlich nicht so genau, das hat mir auch schon mal gefehlt, obwohl man 'full' oder 'satisfied' sagen kann. Und das gesuchte Wort für 'nicht durstig' haben wir wohl auch nicht. Also auch hier keine Lösung. (Im Nachhinein fällt es mir ein, daß man auf Englisch 'quench one's thirst' sowie auch auf Deutsch 'Durst stillen' sagen kann. Aber gesucht war eigentlich ein brauchbares Adjektiv...)
Ich habe dann gefragt, als Nichtmuttersprachler, ob man unter 'satt' sowohl 'nicht durstig' als auch 'nicht hungrig' verstehen kann. Man kann ja 'satt' im übertragenen Sinn gebrauchen, etwas wie 'keine Lust mehr haben'. Hmm, OK, vielleicht, war die Meinung, aber ich habe das Gefühl gekriegt, auf jeden Fall wäre diese Bedeutung, wenn überhaupt möglich, gar nicht so zentral wie 'keinen Hunger haben'.
Mittlerweile waren ihre Eier fertig, und eine von den Mädels hat beschwert, daß sie schon satt war. Und dann hat sie hinzugefügt: 'satt-satt, nicht kaffee-satt'. Und wir haben alle gelacht.
Also contrastive focus reduplication gibt es doch auf Deutsch.
(Eine interessante Diskussion zum Thema 'nicht durstig' gibt es übrigens hier bei Leo.)
Es scheint wirklich hier ein semantisches Loch zu geben. Für das Gegensatzpaar
'hungrig -- satt'
'durstig -- ???'
gibt es kein entsprechendes Wort für 'nicht mehr durstig'.
Dann kam natürlich die obligatorische Frage, ob es ein englisches Äquivalent für das deutsche Wort 'satt' gibt. Nein, eigentlich nicht so genau, das hat mir auch schon mal gefehlt, obwohl man 'full' oder 'satisfied' sagen kann. Und das gesuchte Wort für 'nicht durstig' haben wir wohl auch nicht. Also auch hier keine Lösung. (Im Nachhinein fällt es mir ein, daß man auf Englisch 'quench one's thirst' sowie auch auf Deutsch 'Durst stillen' sagen kann. Aber gesucht war eigentlich ein brauchbares Adjektiv...)
Ich habe dann gefragt, als Nichtmuttersprachler, ob man unter 'satt' sowohl 'nicht durstig' als auch 'nicht hungrig' verstehen kann. Man kann ja 'satt' im übertragenen Sinn gebrauchen, etwas wie 'keine Lust mehr haben'. Hmm, OK, vielleicht, war die Meinung, aber ich habe das Gefühl gekriegt, auf jeden Fall wäre diese Bedeutung, wenn überhaupt möglich, gar nicht so zentral wie 'keinen Hunger haben'.
Mittlerweile waren ihre Eier fertig, und eine von den Mädels hat beschwert, daß sie schon satt war. Und dann hat sie hinzugefügt: 'satt-satt, nicht kaffee-satt'. Und wir haben alle gelacht.
Also contrastive focus reduplication gibt es doch auf Deutsch.
(Eine interessante Diskussion zum Thema 'nicht durstig' gibt es übrigens hier bei Leo.)
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