[On politeness forms and having an American accent]
Es ist ein prekäres Gleichgewicht.
Ich bin daran gewöhnt: sobald man erfährt, daß ich Amerikanerin bin, reden alle plötzlich auf Englisch. Also warte ich immer mit einer gewisser Spannung darauf, bis es geschieht. Dann etwas wie Erleichterung, wenn es doch anders kommt.
Und meistens spricht man tatsächlich Deutsch mit mir, sogar manchmal, wenn ich es nicht unbedingt erwartet hätte. Wie dankbar ich war, als der Mann bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen in Zürich mich höflich fragte 'Verstehen Sie Deutsch?' weil ich verwirrt herumschaute. Dankbar, daß man mir die Chance gab, meine Sprachkenntnisse zu beweisen.
Und dann im Antiquariat, als ich ein Reclam Ausgabe und ein Roman von Christa Wolf kaufte, ein Paar Sätze auf Englisch, und die Frage: 'Kommst du aus England?'
'Nein, aus den USA.'
Die Welt wurde plötzlich gebrechlich.
Nicht, daß ich dachte, er wechselte nach Englisch weil er es mir nicht zutraute, Deutsch zu reden. Es ging nicht darum. Es war eher wie seine Frage: er wollte mich zeigen, daß er meinen Akzent erkannt hatte, daß er etwas über mich wußte.
Nur, es tat weh. Wegen meines Akzents. Als ob ich durchsichtig geworden wäre, damit man in mich hineinsehen könnte.
Und er hat geduzt.
Ich glaube, das hat mich auch ein bißchen verletzt.
Ich weiß, daß es in Deutschland mittlerweile etwas geändert hat, man duzt häufiger als vorher. Aber in einem Laden? Da bleibt man auf 'Sie', oder?
Weil es für mich nicht selbstverständlich ist, weil ich mich bemühen muss, das richtige Pronomen anzuwenden, ist es auch unheimlich wichtig: ein Zeichen, daß ich Erwachsen bin, daß man mich ernst nimmt. Daß ich akzeptiert bin, mitwirken kann. Auch als Ausländer.
Die Leiterin des Studium International hat mich auch geduzt. Ich glaube, es war freundlich gemeint, sie machte Sorgen um mich, wollte mich beruhigen.
Ich glaube, mir wäre es angenehmer, wenn sie gesiezt hätte.
Normalerweise bin ich gegenüber solchen Sachen nicht so empfindlich, auch wenn ich selbst oft formaler Anredeformen benutze, als gewöhnlich wäre. Aber es hat mich gestört.
Eine Anekdote von einem ungarischen Skandinavisten, der in Norwegen war, wo es zwei Standardschriftarten und viele mündliche Dialekte gibt: Er wurde gefragt, 'woher kommst du, welchen Dialekt sprichst du denn, ich kenne es nicht.'
Naja, so geht es auch.
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