Dienstag, 4. Januar 2011

Derek Walcott; oder, wie man nach Gedichten angelt

Night Fishing (Derek Walcott)

Line, trawl for each word
with the homesick toss
of a black pirogue anchored
in stuttering phosphorus.

The crab-fishers’ torches
keep to the surf’s crooked line,
and a cloud’s page scorches
with a smell of kerosene.

Thorny stars halo
the sybil’s black cry
“Apothanein thelo
I am longing to die.”

But line, live in the sounds
that ignorant shallows use;
then throw the silvery nouns
to open-mouthed canoes.

The movement of the poem fascinates me, the interweaving of the images of sailing and fishing with the vocabulary of writing and reading. The Greek words rise up unexpectedly out of the verses like the captured fish, framed by the rhyming pairs of the third strophe. This single line evoking so much, layers of poetic tradition. Not just the Sybil, the prophetess mentioned in the Satyricon of Petronius, but also T.S. Eliot, who quotes the Greek lines at the beginning of his "Wasteland".

And yet in the final strophe of the poem, Walcott defends the "ignorant" language of his homeland, not denying the existing tradition (he still throws the captured words of the past into his hungry boat), but nonetheless choosing a different path.

I tried for a long time to translate this into German simply because the layers of meaning and the use of polysemy intrigues me so much, but I've concluded that my skills aren't adequate to the task.

Die Wirkung des Gedichts hängt mit der Mehrdeutigkeit des Wortes "line" zusammen, das Wort zieht sich wie ein roter Faden durch das Gedicht und hielt es zusammen. Im ersten Vers schmelzen die Bilder des nächtlichen Fischfangs mit Worten aus dem Bereich des Dichtens und Schreibens zusammen. Und genau diese Mehrdeutigkeit fehlt im Deutschen.

Die Doppeldeutigkeit des ersten Wortes, „line“, das „Vers“ sowie auch „Angelschnur“ bedeuten kann, wird hervorgehoben, ins Spielen gebracht durch die Verbindung von „trawl“ (aus der Fischerwelt) und „word“ (ein sprachliches Begriff). Man könnte hier vielleicht mit der lautlichen Ähnlichkeit des Paars „Strich/Strick“ spielen, sonst bleibt „Faden“ wahrscheinlich die beste Option.

Zwei Reihen von Bilder werden dicht zusammengeflechtet. Die Durchdringung von Landschaft und Dichtung lässt sich unterschiedlich interpretieren, unter anderen als poetologische Metapher für den Prozeß des Dichtens und den Umgang des Dichters mit der Tradition.

Die erste Strophe beschreibt ein unsicheres Herantasten, ein visuell-verbales Suchen "anchored in stuttering phosphorus". Die Vers-Angelschnur wird ins Meer geworfen, der Dichter sehnt sich nicht nur nach Heimat sondern nach einer Sprache und einer Dichtung, die er sein eigenes nennen kann.

Die zweite Strophe beschreibt nicht das Schreiben, sondern das Lesen von Texten. (Das "Wolkenblatt" kommt auch anderswo bei Walcott vor, zum Beispiel im ersten Gedicht des Bandes "Midsummer"). Aber es ist nicht nur ein Lesen von fremd-verfassten Texten, sondern die Landschaft wird auch zum Text, zum etwas Lesbares. Am nächsten wäre hier die alte Bedeutung von "lesen" -- "sammeln, ernten" -- zu benutzen, um die Metapher auszudrücken.

Das plötzliche Auftauchen von fremden Worten in der Mitte des Gedichts, das "schwarze Geschrei", das im Gehör bleibt, wie ein Gespenst.

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